Unvermittelt steht ein Reh auf der Straße und ein Zusammenstoß ist unvermeidbar. Mit dieser Erfahrung werden jährlich unzählige Autofahrer konfrontiert und nicht selten kommt es neben Sachschäden zu Verletzten. Wir informieren Sie umfassend zu diesem Thema und geben praktische Tipps, wie Sie sich nach einem Wildschaden richtig verhalten.
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Was sind Wildtiere? Eine Definition
Nicht jeder Zusammenstoß mit einem Tier istautomatisch ein Wildunfall, denn Wildtiere sind nach dem Bundesjagdgesetz(BJagdG) ausschließlich Landwirbeltiere, die zur Jagd freigegeben wurden und auf die ein Jäger schießen darf. Unterschieden wird nach § 2 BJagdG zwischen Federwild und Haarwild. Nach dem Verkehrsrecht handelt es sich ausschließlich bei Kollisionen mit Haarwild um Wildunfälle. Zu diesem Wild zählenbeispielsweise:
– Wildschweine
– Rehe und Hirsche
– Dammwild
– Feldhasen und Wildkaninchen
– Füchse und Dachse
– Wildkatzen und Marder
– Fischotter und Seehunde
In Deutschland sind Rehe und Wildschweine die häufigsten Verursacher von Wildschäden. Nach Hochrechnungen des DeutschenJagdverbands gab es 2016/2017:
– Rotwild: 195.420 Unfälle
– Schwarzwild: 26.180 Unfälle
– Dammwild: 4.020 Unfälle
– Rotwild: 2.870 Unfälle
Schäden durch kleinere Tiere (Igel, Echsen, etc.) sind keine Wildunfälle und auch Zusammenstöße mit anderen Tierarten wie Kuh oder Pferd fallen nicht in diese Kategorie, dies gilt auch für Haustiere wie Katze oder Hund.
Wie kann ein Wildschaden vermieden werden?
Im Straßenverkehr ist vorausschauendes Fahren der beste Schutz gegen einen Wildschaden. Wenn Sie das Tier frühzeitig sehen, steigen Ihre Chancen, dass Sie einen Zusammenstoß vermeiden können. Zu bestimmten Tages- und Jahreszeiten ist die Gefahr deutlich erhöht:
– Brunftzeit (unterscheidet sich je nach Tierart)
– Frühling und Herbst (aufgrund der aktiveren Futtersuche)
– Morgen- und Abenddämmerung, Nacht
Auch an bestimmten Orten wie in Waldgebieten oder in der Nähe von Feldern steigt das Risiko für Wildunfälle. Meist informieren hier Warnschilder zur erhöhten Gefahr von Wildunfällen. Achten Sie daher auf entsprechend gekennzeichneten Strecken auf eine angemesse Fahrweise. Ein reduziertes Tempo kann die Gefahr senken, laut Empfehlung des ADAC ist auf risikoreichen Landstraßen eine Geschwindigkeit von 80 km/h empfehlenswert. Um einen Auffahrunfall durch ein plötzliches Bremsmanöver zu vermeiden, sollten Sie zudem den Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug vergrößern.
Wenn Sie am Fahrzeugrand oder auf der Fahrbahn ein Wildtier bemerken, kann eine schnelle Reaktion einen Unfall vermeiden. Dennoch sollten Sie keinesfalls panisch reagieren, bremsen Sie kontrolliert und vorsichtig ab. Durch grelles Licht werden die Tiere irritiert und bleiben auf der Fahrbahn stehen, schalten Sie daher das Fernlicht aus. Betätigen Sie die Hupe, da das laute Geräusch meist dazu beiträgt, dass die Tiere die Flucht ergreifen. Auch wenn ein Reh in größerer Entfernung vor Ihrem Fahrzeug die Straße überquert, ist die Gefahr längst nicht gebannt. Nehmen Sie den Fuß vom Gas und seien Sie bremsbereit, denn meist sind diese Tiere mit einem Rudel unterwegs. Die Gefahr ist somit groß, dass ein weiteres Tier folgt und es zu einem Unfall kommt.
Richtiges Verhalten bei Wildunfällen
Trotz aller Vorsicht kann ein Zusammenstoß mit einem Wildtier nicht immer verhindert werden. Bewahren Sie Ruhe und vermeiden Sie unbedingt riskante Ausweichmanöver, da dies in den meisten Fällen zu deutlich schlimmeren Unfällen führen kann. Halten Sie das Lenkrad mit beiden Händen fest, bremsen Sie und versuchen Sie, die Fahrspur zu halten. Nach dem Zusammenstoß sichern Sie die Unfallstelle mit Warnblinklicht und Warndreieck ab.
Rufen Sie die Polizei an, melden Sie umgehend den Wildunfall und teilen Sie Ihren Standort mit. In der Regel setzt die Polizei sich mit dem zuständigen Förster oder Jäger in Verbindung, Sie müssen diesbezüglich somit nicht tätig werden. Warten Sie am Unfallort auf das Eintreffen der Einsatzkräfte und vermeiden Sie unbedingt den Kontakt zu dem angefahrenen Wildtier. Neben der hohen Ansteckungsgefahr (Tollwut, etc.) geht von verletzten Tieren ein hohes Risiko aus. Insbesondere Wildschweine können sich trotz schwerer Verletzungen als gefährliche Gegner erweisen. Die Polizeibeamten übernehmen die Beweissicherung und protokollieren den Unfallhergang.
Für Ihre Versicherung ist der eindeutige Nachweis wichtig, dass es sich tatsächlich um einen Wildschaden handelt, daher sollten von der Polizei Spuren wie Blut und/oder Tierhaare am Fahrzeug unbedingt genau dokumentiert werden. Das Polizeiprotokoll und die Unfallbescheinigung des zuständigen Jägers reichen Sie als Nachweise an Ihre Autoversicherung weiter. Neben diesen Dokumenten werden im Rahmen der Schadensregulierung meist auch Zeugenaussagen und Fotos angefordert. Häufig wird zusätzlich ein Gutachter mit der Besichtigung beauftragt, daher sollten Sie Ihr Fahrzeug erst nach Rücksprache mit dem Versicherer oder nach der Besichtigung durch den Sachverständigen waschen, da sonst wichtige Spuren beseitigt werden.
Kfz-Haftpflichtversicherung oder Teilkasko – wer ist zuständig?
Wenn durch den Zusammenstoß mit einem Wildtier Schäden an Ihrem Fahrzeug entstehen, übernimmt die Teilkaskoversicherung die Kosten für die Reparatur. Voraussetzung für die Übernahme der Reparaturkosten durch die Autoversicherung ist jedoch, dass der Wildunfall durch das Protokoll der Polizei sowie die Wildunfallbescheinigung zweifelsfrei nachgewiesen wurde. In manchen Fällen schickt die Versicherung einen eigenen Gutachter, der den Schaden in Augenschein nimmt, diese Kosten zahlt ebenfalls die Teilkasko. Der Autofahrer selbst zahlt lediglich eine Selbstbeteiligung,wenn dies vertraglich vereinbart wurde. Wenn Sie den Schaden nicht reparieren und eine Auszahlung beantragen möchten, kann dies von einigen Versicherern durchaus verweigert werden. Fragen Sie vorab bei Ihrem Versicherer nach, ob bei Abschluss des Vertrages eine entsprechende Klausel vereinbart wurde.
Kann nicht eindeutig nachgewiesen werden, dass der Schaden am Fahrzeug durch die Kollision mit einem Wildtier erfolgt ist, übernimmt die Teilkasko keine Zahlung. In diesem Fall würden Sie die Kosten für die Reparatur Ihres Fahrzeugs selbst übernehmen. Dies ist auch bei Selbstverschulden der Fall, beispielsweise durch zu schnelles Fahren oder einer riskante Fahrweise. Die Weigerung der Kostenübernahme greift jedoch nur dann,wenn die Versicherung Ihnen die Fahrfehler eindeutig nachweisen kann. Besteht eine Vollkaskoversicherung, kann der Schaden jedoch über diese abgewickelt werden, da hier unabhängig von grober Fahrlässigkeit oder selbst verschuldeten Unfällen eine Kostenübernahme erfolgt.
Schäden von Dritten werden von der Kfz.-Haftpflichtversicherung übernommen, wenn Sie mit dem Wildunfall in Zusammenhang stehen. Davon sind beispielsweise Schäden an Verkehrsschildern und Leitplanken betroffen. Ebenfalls gezahlt werden von der Haftpflichtversicherung Schäden, die einem anderen Autofahrer durch den Zusammenstoß mit dem Wildtier oder durch ein Ausweichmanöver entstanden sind. Der betroffene Jäger hat jedoch keinen Anspruch auf Schadenersatz für das angefahrene Tier, da Wildtiere grundsätzlich als herrenlos gelten und ihm aus rechtlicher Sicht hier kein Schaden entstanden ist. Der Wildschaden wirkt sich nur dann auf den Schadenfreiheitsrabatt der Kfz-Versicherung aus, wenn die Haftpflichtversicherung und/oder die Vollkasko Leistungen erbracht hat. In der Teilkasko gibt es keinen Schadenfreiheitsrabatt, daher wirkt sich die Regulierung hier nicht entsprechend aus.
Schwierige Fälle: Ausweichmanöver, Schaden an stehendem Auto & Co.
Generell ist es für die Kostenübernahme durch die Teilkasko unerheblich, ob der Schaden durch die Kollision mit dem Tier oder durch ein Ausweichmanöver entstanden ist. Im letzteren Fall müssen Sie jedoch nachweisen, dass Sie einem großen Tier ausgewichen sind, was ohne eine Kollision entsprechend schwierig ist. Ebenfalls problematisch sind Ausweichmanöver, die einen Zusammenstoß mit einem kleinen Tier wie einem Feldhasen vermeiden sollten. Viele Versicherer argumentieren, dass eine Kollision hier zu einem deutlich geringeren Schaden geführt hätte.
Stellt sich nach der Kollision mit einem Tier heraus, dass es sich bei Ihrem Unfallgegner um eine Kuh, einen Hund oder ein Schaf handelt, fällt dies in der Regel nicht unter die Kategorie Wildschaden. Es gibt jedoch durchaus Versicherer, die den Versicherungsschutz in der Teilkasko auch auf andere Tierarten ausgeweitet haben. Hier gibt es unterschiedliche Regelungen, teilweise können die erweiterten Klauseln nur gegen eine Zusatzgebühr eingeschlossen werden.
Die Teilkasko übernimmt ausschließlichWildschäden, die an einem Fahrzeug in Bewegung entstanden sind. Wenn also beispielsweise ein Wildschwein Ihr geparktes Fahrzeug beschädigt, ist dieser Fall kein Wildschaden. Eine Schadenübernahme kann in diesem Fall ausschließlich über eine möglicherweise abgeschlossene Vollkaskoversicherung reguliert werden.
Bremsen Sie zur Vermeidung einer Kollision mit einem Wildtier stark ab, kann es zu einem Auffahrunfall kommen. Im deutschen Verkehrsrecht ist klar geregelt, dass bei Auffahrunfällen grundsätzlich der auffahrende Verkehrsteilnehmer die Hauptschuld trägt. Ein Autofahrer muss jederzeit vorausschauend fahren und einen ausreichenden Sicherheitsabstand einhalten. Kommt es zur Kollision, wird automatisch vorausgesetzt, dass der Sicherheitsabstand zu gering war. Hat der Vordermann jedoch für ein kleines Wildtier wie Feldhase oder Eichhörnchen gebremst, kann er eine Mitschuld am Unfall tragen. Dies wird damit begründet, dass er nicht genug auf nachfolgende Fahrzeuge geachtet und somit die Verkehrssicherheit nicht im Blick hatte.
Mögliche Strafen bei Wildschäden
Wenn Sie nach einer Kollision mit einem Wildtier den Unfallort verlassen, handelt es sich nicht um einen Fall von Fahrerflucht. Dennoch ist dies kein Freibrief, denn in den meisten Bundesländern gilt eine Meldepflicht, die in den Landesjagdgesetzen festgelegt ist. Ein Verstoß wird als Ordnungswidrigkeit geahndet und kann mit einem Bußgeld von bis zu 5.000 Euro bestraft werden. Das Entfernen vom Unfallort kann unabhängig von der Größe des Tieres als Verstoß gegen das Tierschutzgesetz angesehen werden. Bei einer Anzeige drohen hier Strafen zwischen 5.000 und 50.000 Euro. Mitnehmen dürfen Sie das Tier allerdings ebenfalls nicht, da dies den Tatbestand der Wilderei erfüllen würde.
*Hinweis: Die Informationen in diesem Artikel ersetzen keine Rechtsberatung. Bitte konsultieren Sie für eine rechtlich bindende Beratung einen Rechtsanwalt für Verkehrsrecht.