Nach Auskunft des Statistischen Bundesamtes (DESTATIS) kam es im Jahr 2018 in Deutschland zu 397.858 Straßenverkehrsunfällen. Meist springt die Kfz-Hafpflichtversicherung des Unfallverursachers ein und reguliert die Kosten der entstandenen Schäden. Bei Fahrerflucht, Vorsatz oder fehlendem Versicherungsschutz ist dies jedoch nicht der Fall. Unter bestimmten Voraussetzungen kann hier die Unfallopferhilfe einspringen und einem Unfallopfer Schadensersatz leisten.
Seitenübersicht
Was ist die Unfallopferhilfe?
Der Vorläufer der Verkehrsopferhilfe war der im Jahr 1955 ins Leben gerufene Fahrerfluchtfonds. 1963 gründeten alle dem damaligen HUK-Verband angehörenden Autohaftpflichtversicherer die Verkehrsopferhilfe (VOH), der 1966 der Status einer gesetzlichen Entschädigungsstelle für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen zugewiesen wurde. Seit 2003 übernimmt der Verein zudem die Aufgaben einer gesetzlichen Entschädigungsstelle bei Auslandsunfällen. Gesetzliche Grundlage für die nationale Entschädigungsstelle sind die Regelungen in den §§ 12a und b sowie § 13a des Pflichtversicherungsgesetzes (PflVG).
Der Entschädigungsfonds wurde eingerichtet, um bestehende Lücken des Pflichtversicherungsgesetzes zu schließen und Verkehrsopfern Schutz vor unnötigen Härten zu bieten. Getragen werden die Kosten für Unfallnachsorge und Schadensregulierung ausschließlich von den Autohaftpflichtversicherern. Unter bestimmten Bedingungen können sich Verkehrsunfallopfer an die Verkehrsopferhilfe wenden und Ansprüche anmelden. Die Verkehrsopferhilfe haftet subsidiär und übernimmt die Schadensregulierung, wenn die Autoversicherung des Schadenverursachers nicht eintreten kann oder darf.
Rechtsanspruch auf Leistung der Verkehrsopferhilfe
In den §§ 12 ff PflVG sind die Rahmenbedingungen geregelt, die den Eintritt der Verkehrsopferhilfe nach einem Unfall im Straßenverkehr klar definieren. Erhalten Verkehrsunfallopfer keine Entschädigung von der gegnerischen Versicherung, besteht ein Rechtsanspruch auf Leistungen durch die Verkehrsopferhilfe. Dies ist beispielsweise bei folgenden Fällen möglich:
- Fahrerflucht des Schadenverursachers
- Verursacher des Schadens kann nicht ermittelt werden
- Kraftfahrzeug des Verursachers ist nicht haftpflichtversichert
- Halter des Fahrzeuges ist von der Versicherungspflicht befreit (beispielsweise nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 PflVG)
- Haftpflichtversicherung leistet nicht, da der Schaden vorsätzlich oder widerrechtlich verursacht wurde
- Insolvenz des Autohaftpflichtversicherers
Die Insolvenz eines in Deutschland tätigen Versicherers ist keinesfalls ein häufiges Phänomen, dennoch bietet die Verkehrsopferhilfe auch in diesem eher seltenen Fall die Möglichkeit zur Anspruchstellung im Schadensfall. Aufgrund der bestehenden Versicherungspflicht sind die Fahrzeuge der meisten Verkehrsteilnehmer versichert und nach einem Verkehrsunfall erhalten Unfallopfer eine Entschädigung von der gegnerischen Versicherung. Wenn ein Autofahrer sein Fahrzeug bewusst als Waffe einsetzt und einen anderen Verkehrsteilnehmer absichtlich schädigt, ist die Versicherung aufgrund dieser vorsätzlichen Tat von der Leistung befreit. In diesem Fall können Sie sich an die Verkehrsopferhilfe wenden. Auch bei einem Verkehrsunfall im Ausland ist die Einschaltung der Verkehrsopferhilfe möglich, da der Verein seit 2003 als Entschädigungsstelle gemäß der Richtlinie 2000/26/EG (4. KH-Richtlinie) auftritt.
Leistungen der Verkehrsopferhilfe
Als Garantiefonds schließt die Verkehrsopferhilfe nach einem Verkehrsunfall die finanziellen Lücken der unverschuldet in Not geratenen Geschädigten. Eines der bekanntesten Beispiele für die unbürokratische Hilfe der Verkehrsopferhilfe ist der Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin im Jahr 2016. Generell beschränken sich die Leistungen der VOH auf die gesetzlichen Mindestversicherungssummen der Kfz-Haftpflichtversicherung. Bei Sachschäden ist die Schadenssumme auf maximal 500.000 Euro begrenzt. Für Hinterbliebene von verstorbenen Unfallopfern oder Verletzte mit bleibenden Schäden können Summen von maximal 2,5 Millionen Euro geleistet werden. Werden bei einem Unfall drei oder mehr Opfer verletzt, zahlt die Verkehrsopferhilfe maximal 7,5 Millionen Euro.
Leistungen werden nur dann erbracht, wenn der betreffende Schaden durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeuges oder eines Anhängers entstanden ist. Wurde der Schaden durch einen Fahrradfahrer oder Fußgänger verursacht, können Sie keine Ansprüche stellen. Zudem erfolgt eine Leistung durch die VOH nur in Fällen, in denen keine andere Stelle die Ansprüche des Geschädigten reguliert. Wenn der Verursacher beispielsweise nicht versichert ist, müssen Sie die Schäden an Ihrem eigenen Fahrzeug Ihrer Vollkaskoversicherung melden. Die Kosten für den von Ihnen eingeschalteten Anwalt übernimmt Ihre Rechtsschutzversicherung und ärztliche Behandlungskosten werden von Ihrer Krankenversicherung gezahlt. Nur wenn dies nicht der Fall ist, tritt die Verkehrsopferhilfe in Erscheinung.
Sonderregelungen bei Fahrerflucht
Um eine missbräuchliche Inanspruchnahme der Unfallopferhilfe zu unterbinden, gelten für Unfälle mit Fahrerflucht bestimmte Einschränkungen. Generell werden Sachschäden bei Unfallflucht nicht ersetzt, da der Gesetzgeber davon ausgeht, dass für jeden Versicherungsnehmer die Möglichkeit zum Abschluss einer Vollkaskoversicherung besteht. So soll vermieden werden, dass unrechtmäßig Schäden als Fahrerflucht deklariert werden und somit ein missbräuchlicher Gebrauch der VOH entsteht. Sachschäden werden ausschließlich in Fällen reguliert, bei denen gleichzeitig Ansprüche hinsichtlich eines beträchtlichen Personenschadens gestellt werden. Bestehen berechtigte Ansprüche zur Regulierung eines Sachschadens, wird automatisch ein Selbstkostenbeitrag in Höhe von 500 Euro abgezogen.
Schmerzensgeld können verletzte Unfallopfer nur in seltenen Fällen erhalten, in denen nach Ansicht der Rechtsprechung aufgrund der besonderen Schwere einer Verletzung die Vermeidung grober Unbilligkeit erforderlich ist. Dies ist dann der Fall, wenn die Verletzungen im Vergleich zu den Folgen alltäglicher Straßenverkehrsunfälle deutlich schwerer sind. Es müssen somit dauerhafte und erhebliche Beeinträchtigungen der körperlichen Funktionen des Geschädigten vorliegen. Die Einschränkungen gelten ausschließlich für den Fallbereich Unfallflucht und werden nicht bei Fällen mit Vorsatz oder fehlendem Versicherungsschutz angewendet. Die Höhe des Schmerzensgeldes ist gesetzlich nicht geregelt und wird im Einzelfall jeweils individuell festgelegt.
Unfallopferhilfe: Ansprüche anmelden
Ist der Schadenverursacher nicht bekannt oder nicht in der Lage, einen finanziellen Ausgleich für den verursachten Schaden zu leisten, steht die Verkehrsopferhilfe den Geschädigten zur Seite. Wenn Sie Ansprüche anmelden möchten, genügt ein formloser Antrag an die Verkehrsopferhilfe. Der Verein benötigt die persönlichen Angaben des Geschädigten sowie eine detaillierte Schilderung des Unfallherganges. Wichtig sind diesbezüglich insbesondere:
- Unfalltag und Schadenszeit
- Unfallort
- Angaben zu einer polizeilichen Aufnahme
- Angaben zum Unfallverursacher (wenn bekannt)
Ansprüche können schriftlich an folgende Adresse gerichtet werden:
Verein Verkehrsopferhilfe e. V.
Wilhelmstraße 43/43 G
10117 Berlin
Alternativ können Sie die Ansprüche unter folgendem Link auch online übermitteln:
http://www.verkehrsopferhilfe.de/de/unfallmeldung/
Wenn Sie Ansprüche anmelden möchten, sollten Sie die Anmeldung innerhalb einer Frist von drei Jahren vornehmen. Nach Ablauf dieser Frist ist der Anspruch leider verjährt und eine Inanspruchnahme der Leistungen ist nicht mehr möglich. Die Unfallopferhilfe übernimmt die Bearbeitung nicht selbst und delegiert die Regulierung an ein Versicherungsunternehmen.
Fazit:
Jeder Verkehrsunfall ist für Geschädigte mit großen Problemen verbunden. Die Unfallopferhilfe kann bei problematischen Verkehrsunfällen Leistungen erbringen, falls der Verursacher zahlungsunfähig ist oder nicht ermittelt werden kann. Wenden Sie sich bei Fragen vertrauensvoll an uns – wir helfen Ihnen gerne weiter!
*Hinweis: Die Informationen in diesem Artikel ersetzen keine Rechtsberatung. Bitte konsultieren Sie für eine rechtlich bindende Beratung einen Rechtsanwalt für Verkehrsrecht.