Egal wie vorsichtig Sie auch fahren, Sie werden als Autofahrer die Gefahr in einen Unfall verwickelt zu werden nie ganz ausschließen können. Es braucht auch gar nicht Ihre Schuld zu sein. Eine kleine Unachtsamkeit eines anderen Fahrers, oder auch die Unsicherheit und mangelnde Erfahrung eines Führerscheinneulings, reicht aus, um einen Unfall auszulösen. Dann hat natürlich die Versicherung des Unfallverursachers für den Schaden an Ihrem Auto aufzukommen, doch zuerst muss die Höhe der Kosten ermittelt werden und dabei kommt es häufig zu Streitigkeiten oder Verwirrung. Was also sollten Sie beachten, wenn Sie einen Unfallschaden erlitten haben?
Welche Möglichkeiten gibt es um die Schadenshöhe zu ermitteln?
Grundsätzlich gibt es zwei Methoden zur Ermittlung der Kosten nach einem Autounfall. Sie können mittels Kostenvoranschlag oder mittels Kfz-Gutachten dokumentiert werden. Welche der beiden Methoden Sie wählen, kann jedoch einen entscheidenden Einfluss darauf haben wie viel der gegnerische Versicherer am Ende tatsächlich zahlt. Überlassen Sie also die Schadensermittlung auf keinen Fall der Versicherung und akzeptieren Sie auch keinen von ihr benannten Gutachter. Auch er würde den Schaden so niedrig wie möglich schätzen.
Schadensregulierung aufgrund eines Gutachtens
Viele Leute vermeiden die Beauftragung eines Gutachters aus Angst vor höheren Kosten, doch meist ist diese Angst unbegründet. Sofern es sich nicht um einen sogenannten Bagatellschaden handelt sind auch die Kosten für das Gutachten durch die Versicherung des Unfallverursachers erstattungsfähig. Dadurch wird die Beauftragung eines Gutachters für Sie als Geschädigten kostenlos. Das Gutachten hat vor allem den Vorteil, dass es umfassender ist als ein Kostenvoranschlag und neben den Reparaturkosten auch die Wertminderung des Fahrzeugs durch den Unfallschaden beziffert.
Sie sollten also auf jeden Fall ein Gutachten erstellen lassen, wenn Sie überlegen auf die tatsächliche Reparatur zu verzichten und das Unfallauto stattdessen zu verkaufen. In diesem Fall können Sie von der Versicherung des Unfallverursachers die Erstattung der Differenz zum Verkaufswert des Fahrzeugs vor dem Unfall fordern. In einem Kostenvoranschlag ist diese jedoch nicht ersichtlich.
Beispiel: (Verkaufswert vor dem Unfall) - (Verkaufswert nach dem Unfall) = Wertminderung 10.000 EUR - 8.000 EUR = 2.000 EUR Wertminderung
Auch wenn Sie das Auto zu einem späteren Zeitpunkt weiterverkaufen wollen, kann ein Gutachten nützlich sein. Durch die nach dem Unfall durchgeführte Reparatur liegt eine bleibende Wertminderung vor, aufgrund derer der Käufer eine Preisminderung fordern kann. Das Gutachten dient dann als Beleg der Höhe dieser Wertminderung.
Zusätzlich trifft das Gutachten Aussagen über den Unfallhergang und enthält fotografisches Beweismaterial über den Fahrzeugzustand vor der Reparatur. Das ist vor allem dann nützlich wenn es zu einem Rechtsstreit über das Verschulden oder den Umfang der Schäden kommt.
Falls Sie eine Nutzungsausfallentschädigung für den Ausfall Ihres Autos in Anspruch nehmen wollen ist das Gutachten ebenfalls hilfreich, da es auch die voraussichtliche Dauer der Reparaturen und die Höhe des Tagessatzes angibt.
Schadensregulierung nach Kostenvoranschlag
Der Kostenvoranschlag ist meistens bequemer als das Gutachten. Wenn Sie planen Ihr Auto reparieren zu lassen, werden Sie vermutlich ohnehin einen Kostenvoranschlag von Ihrer Werkstatt erhalten. Diesen können Sie dann auch für die Dokumentation der Schadenshöhe an die Versicherung verwenden. Es ist aber auch möglich einen Kostenvoranschlag durch einen Gutachter erstellen zu lassen.
Der Kostenvoranschlag beziffert lediglich die voraussichtlichen Reparaturkosten. Es ist also, finanziell gesehen, nur dann sinnvoll die Schadensregulierung nach Kostenvoranschlag anstelle eines Gutachtens zu wählen, wenn Sie nur die Reparaturkosten erstattet haben wollen und es sich um einen Bagatellschaden handelt.
In jedem anderen Fall ist das Gutachten, zumindest zur Vorbeugung eines Rechtsstreits vorzuziehen!
Wann liegt ein Bagatellschaden vor?
Es handelt sich um einen Bagatellschaden, wenn die Reparaturkosten unter 700,00 Euro liegen. Die Schwierigkeit liegt darin, dass Sie als Laie vor Erstellung des Kostenvoranschlags oder Gutachtens kaum abschätzen können, wie hoch die Reparaturkosten in etwa liegen werden. Selbst wenn es von außen so scheint als ob lediglich eine Delle in der Karosserie vorliegt, kann es sein, dass durch den Zusammenstoß auch Schäden im Inneren des Autos, zum Beispiel an der Elektronik, entstanden sind, die sich erst bei einer genauen Überprüfung durch einen Fachmann erkennen lassen.
Mit der Begründung, dass für Sie nicht ersichtlich war, dass es sich um einen Bagatellschaden handelt, können Sie möglicherweise auch in diesem Fall die Erstattung der Kosten eines Gutachtens erreichen. Andererseits ist auch ein Gutachter zur Erstellung eines Kostenvoranschlags berechtigt. Sie können also auch einen Gutachter damit beauftragen zunächst festzustellen ob ein Bagatellschaden vorliegt und dann dem Ergebnis entsprechend einen Kostenvoranschlag oder ein Gutachten zu erstellen.
Sollte ein Kostenvoranschlag von einer Werkstatt oder von einem Gutachter erstellt werden?
Die Erstellung des Kostenvoranschlags durch die Werkstatt ist zwar bequemer, Sie sollten dabei aber bedenken, dass die Werkstatt Interesse daran hat die Reparaturkosten so gering wie möglich zu präsentieren, damit Sie sie auch mit der Reparatur beauftragen und nicht zu einem billigeren Mitbewerber ausweichen. Die in einem Kostenvoranschlag angegebenen Beträge sind unverbindlich und so stellt sich dann meistens während der Reparatur heraus, dass doch höhere Kosten anfallen. Wenn Sie die Reparatur nicht tatsächlich durchführen lassen, könnten Sie auf diese Weise Geld verlieren ohne es überhaupt zu wissen. Ein von Ihnen gewählter Gutachter hat kein Interesse daran den Preis möglichst niedrig zu schätzen und wird daher meist näher an den tatsächlichen Kosten liegen.
Die Wahl des richtigen Gutachters
Achten Sie darauf einen unabhängigen Gutachter zu wählen zu dem Sie Vertrauen haben. Ein von der gegnerischen Versicherung oder Ihrer Werkstatt angebotener Gutachter ist zwar bequem, wird aber vermutlich auch im Interesse der Versicherung oder Werkstatt handeln und die Kosten niedrig einschätzen. Bestehen Sie daher auf Ihr Recht, den Gutachter selbst zu wählen.
Wie funktioniert die fiktive Abrechnung?

Bei der fiktiven Abrechnung erhalten Sie den Betrag ohne Mehrwertsteuer
Wenn Sie sich entscheiden Ihr Auto nicht reparieren zu lassen, können Sie die Höhe des Schadens fiktiv ermitteln und sich diesen Betrag auszahlen lassen. Dies kann zwar auch mit einem Kostenvoranschlag erfolgen, aber ein Gutachten, das auch die Wertminderung des Autos beurteilt ist sinnvoller. Meist wird eine fiktive Abrechnung durchgeführt, wenn es sich um ein altes Auto handelt, bei dem sich die Reparatur vermutlich nicht mehr auszahlen wird. Auch wenn Sie selbst ein geschickter Hobby-Mechaniker sind und die Reparatur selbst in Ihrer Garage durchführen wollen, kommt die fiktive Abrechnung zur Anwendung. Bedenken Sie aber, dass hierbei die fiktiven Reparaturkosten ohne Mehrwertsteuer bezahlt werden. Mehrwertsteuer fällt nämlich nur bei der tatsächlichen Erbringung der Reparaturleistung an. Auch UPE-Aufschläge werden manchmal aus den im Gutachten ermittelten Reparaturkosten gestrichen.
UPE–Aufschlag: Es handelt sich dabei um branchenüblich erhobene Zuschläge, die aufgrund der Lagerhaltung von Originalersatzteilen auf die unverbindliche Preisempfehlung des Ersatzteilherstellers aufgeschlagen werden
Kann man auch Kaskoschäden über eine fiktive Abrechnung auszahlen lassen?
Wenn Sie einen Kaskoschaden bei Ihrer eigenen Versicherung geltend machen ist es nicht immer möglich auf die Reparatur zu verzichten und sich das Geld auszahlen zu lassen. Sehen Sie zuerst im Versicherungsvertrag nach, ob die Auszahlung von Kaskoschäden dort ausgeschlossen ist. Nach dem Unfall ist es natürlich zu spät für Vertragsverhandlungen, doch sollten Sie später noch einmal eine Kaskoversicherung abschließen, kann es eine gute Idee sein darauf zu achten eine Versicherung zu wählen, die die Auszahlung zulässt.
Was tun, wenn es sich um einen Totalschaden handelt?
Bei einem Totalschaden ist keine Reparatur des Autos mehr möglich. Dementsprechend kann Ihnen auch kein Kostenvoranschlag für Reparaturkosten weiterhelfen. Ihnen steht statt Ersatz der Reparaturkosten die Differenz zwischen dem Restwert Ihres Autos und dem Widerbeschaffungswert zu. Lassen Sie diese in einem Kfz-Gutachten ermitteln.
Wann sollten Sie einen Rechtsanwalt für Verkehrsrecht hinzuziehen?

Als Geschädigter übernimmt die gegnerische Versicherung die Kosten für einen Anwalt für Verkehrsrecht
Grundsätzlich gilt für den Anwalt genau dasselbe wie für den Gutachter: Auch hier hat die Versicherung des Schadensverursachers die Kosten zu tragen. Wenn es zu einem Rechtsstreit kommt oder Sie auch nur befürchten, dass die Versicherung versuchen sollte die Schadenssumme unrechtmäßig zu kürzen, ist es also auf jeden Fall sinnvoll einen einschlägig erfahrenen Rechtsanwalt für Verkehrsrecht hinzuzuziehen.
*Hinweis: Die Informationen in diesem Artikel ersetzen keine Rechtsberatung. Bitte konsultieren Sie für eine rechtlich bindende Beratung einen Rechtsanwalt für Verkehrsrecht.
1 Kommentar
Danke, dass Sie zwei Methoden, einen Schaden schätzen zu lassen, erwähnen. Bei meinem Lackschaden hat die Autolackiererei einen Kostenvoranschlag gemacht. Ein KFZ-Gutachten brauchten wir nicht.